Beim Pikettdienst hält sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin neben der normalen Arbeit für allfällige Arbeitseinsätze bereit für die Behebung von Störungen, die Hilfeleistung in Notsituationen, für Kontrollgänge oder für ähnliche Sonderereignisse.
Der Pikettdienst in Krankenanstalten und Kliniken (Art. 15 und 8a ArGV 2) wird im Merkblatt für die Anwendung des Arbeitsgesetzes in Krankenanstalten und Kliniken behandelt, das auf der Website des SECO verfügbar ist.
Allgemeines
Beim Pikettdienst hält sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin neben der normalen Arbeit für allfällige Arbeitseinsätze bereit für die Behebung von Störungen, die Hilfeleistung in Notsituationen, für Kontrollgänge oder für ähnliche Sonderereignisse.
Der Pikettdienst muss von anderen Formen des Bereitschaftsdienstes wie etwa der Arbeit auf Abruf unterschieden werden. Arbeit auf Abruf bedeutet, dass die Arbeitnehmenden dem Arbeitgeber in erster Linie zur Verfügung stehen, um normale Schwankungen des Arbeitsvolumens aufzufangen. Beim Pikettdienst handelt es sich hingegen um ausserordentliche und dringende Einsätze, die weder planbar noch vorhersehbar sind. Nimmt das Arbeitsvolumen zu, so hat der Arbeitgeber andere Möglichkeiten, um darauf zu reagieren: Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit (Art. 22 ArGV 1), Überzeitarbeit (Art. 12 und 13 ArG und Art. 25 ArGV 1), Ergreifen organisatorischer Massnahmen, Rekrutierung von zusätzlichem Personal oder Einsatz von Aushilfspersonal.
Beim Pikettdienst müssen die Arbeitnehmenden jederzeit einsatzbereit sein, was einen Eingriff in ihr Privatleben bedeutet und die Gesundheit stark beeinträchtigen kann. Dies ist eine unbestrittene Tatsache, besonders wenn es sich um Notfälle handelt und die Arbeitnehmenden innert kürzester Zeit einsatzbereit sein müssen.
Mit den Kontrollgängen, auf die in Art. 14 Abs. 1 ArGV 1 verwiesen wird, sind grundsätzlich nicht planbare, unregelmässige Kontrollgänge in Notsituationen gemeint. Allgemein werden durch den Pikettdienst Aktivitäten abgedeckt, bei denen es um die Behebung von ausserordentlichen Störungen geht. Erledigen Arbeitnehmende bei einem Einsatz ihre normale Arbeit, handelt es sich nicht um einen Pikettdienst.
Müssen Pikettdienste in der Nacht, am Sonntag oder an gesetzlichen Feiertagen geleistet werden, ist eine Bewilligung einzuholen (Art. 16, 17, 18, 19, 20a ArG).
Allerdings sind bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmenden gemäss den Sonderbestimmungen der ArGV 2 von der Bewilligungspflicht für Nacht- und Sonntagsarbeit ausgenommen.
Die Frage der Entschädigung wird im ArG nicht behandelt, da diese im Wesentlichen privates Arbeitsrecht tangiert. Das Bundesgericht hat allerdings eingeräumt, dass die Bereitschaftszeit, d.h. die Zeit, in der sich der Arbeitnehmende für allfällige Arbeitseinsätze bereit halten muss, zu entschädigen ist (siehe BGE 124 III 249). Die Höhe dieser Entschädigung muss jedoch nicht zwingend dem Lohn für die Haupttätigkeit entsprechen. Sie kann in einem Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmenden oder in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geregelt sein. Die Entschädigung für den Pikettdienst kann auch bereits im Lohn für die Hauptleistung eingeschlossen sein. Was die Entschädigung anbelangt, sind daher insbesondere der Arbeitsvertrag, das Personalreglement oder falls vorhanden ein GAV massgebend.
Werden Arbeitnehmende in der Nacht oder am Sonntag zu einem Piketteinsatz gerufen, haben sie Anrecht auf den gesetzlich vorgesehenen Lohn- und Zeitzuschlag; siehe dazu v.a. Artikel 17b, 19, 20 ArG (und für weitere Details S. 6 dieses Dokuments sowie Merkblatt Zeitzuschlag von 10% für regelmässige Nachtarbeit und Der 10%-Zeitzuschlag bei regelmässiger Nachtarbeit im Überblick (2 Seiten) auf der Website des SECO).
Organisation und Planung des Pikettdienstes
Für die Einsatzplanung des Pikettdienstes ist ein Zeitraum von vier Wochen massgebend. In dieser Zeit darf der Arbeitnehmende an höchstens sieben (aufeinanderfolgenden oder einzelnen) Tagen auf Pikett sein. Die Anzahl möglicher Einsätze während dieser Tage ist nicht begrenzt. Nach Beendigung des letzten Pikettdienstes (mit oder ohne Einsatz) müssen zwei Wochen ohne Pikettdienst folgen. Der Arbeitnehmende darf während dieser Zeit nicht mehr für den Pikettdienst aufgeboten werden, auch wenn es während des letzten Pikettdienstes zu keinem Einsatz gekommen ist. Diese zwei Wochen ohne Pikettdienst müssen daher in der vierwöchigen Einsatzplanung nicht zwingend eingeschlossen sein, sondern können auch daran anschliessen.
Die einzelne Arbeitnehmerin oder der einzelne Arbeitnehmer darf im Zeitraum von vier Wochen an höchstens 14 Tagen auf Pikett sein, sofern die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- Aufgrund der betrieblichen Grösse und Struktur stehen dem Betrieb keine genügenden Personalressourcen für einen Pikettdienst nach Artikel 14 Absatz 2 zur Verfügung; und
- Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer leistet im Durchschnitt eines Kalenderjahres nicht mehr als fünf tatsächliche Piketteinsätze pro Monat.
Bemerkungen:
Die gesetzlichen Ferien dürfen für die Berechnung dieses Durchschnittswertes nicht miteingerechnet werden. Der Durchschnitt ergibt sich aus der Anzahl tatsächlicher Einsätze geteilt durch die Anzahl geleisteter Arbeitsmonate.
Die in Art. 14 Abs. 2 ArGV 1 vorgesehene Regel von zwei Wochen ohne Pikettdienst gilt nicht für Fälle, die Art. 14 Abs. 3 ArGV 1 unterstehen. Dennoch ist auch hier wenn möglich darauf zu achten, dass die Arbeitnehmenden ganze Wochen ohne Pikettdienst haben.
Allgemein bezieht sich die Mitwirkung bei der Planung auf die Organisation der Arbeitszeit und die Gestaltung der Stundenpläne (Art. 48 ArG). Deshalb sind die Arbeitnehmenden bei der Planung für die im Betrieb massgeblichen Arbeitszeiten, wie Rahmeneinsatzzeiten, Pikettdienst, Einsatzpläne, bewilligte Stundenpläne und deren Änderungen beizuziehen. Allerdings müssen auch gemeinsam mit den Arbeitnehmenden erstellte Arbeitspläne den rechtlichen Rahmenbestimmungen entsprechen. Die Arbeitspläne sind möglichst frühzeitig zu kommunizieren, in der Regel spätestens zwei Wochen vor einem geplanten Einsatz mit neuen Arbeitszeiten (Art. 69 Abs. 1 ArGV 1). Ohne zwingenden Grund darf diese Frist nicht unterschritten werden.
Die Dauer der täglichen Ruhezeit von elf Stunden (Art. 15a Abs. 1 ArG) ist einzuhalten, darf im Rahmen des Pikettdienstes aber durch Einsätze unterbrochen werden. Wird wegen der Piketteinsätze eine minimale Ruhezeit von vier aufeinanderfolgenden Stunden nicht erreicht, so muss die tägliche Ruhezeit von elf Stunden nachgewährt werden.
Konkret sind folgende Fälle denkbar:
Ein einziger Einsatz: Die Summe der Ruhezeit vor und nach dem Einsatz erreicht das gesetzliche Minimum von elf Stunden. Danach kann die Arbeit normal wieder aufgenommen werden.

Ein einziger Einsatz: Die Summe der Ruhezeit vor und nach dem Einsatz erreicht nicht das gesetzliche Minimum von elf Stunden, sondern beträgt vorliegend nur zehn Stunden. Die Ruhezeit muss somit um eine Stunde verlängert werden, damit sie das gesetzliche Minimum von elf Stunden erreicht.

Die Ruhezeit besteht aus mindestens einmal vier aufeinanderfolgenden Stunden und die Summe der verschiedenen Ruhezeiten erreicht das gesetzliche Minimum von elf Stunden. Danach kann die Arbeit normal wieder aufgenommen werden.

Wegen der Einsätze beträgt keine der Ruhezeiten vier Stunden und die Summe der verschiedenen «Pausen» liegt unter dem gesetzlichen Minimum von elf Stunden Ruhezeit. Nach dem letzten Einsatz (hier um 5.00 Uhr) ist dem Arbeitnehmenden die gesamte tägliche Ruhezeit von elf aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

Anrechnung an die Arbeitszeit (Art. 15 ArGV 1)
Wird der Pikettdienst im Betrieb geleistet, stellt die gesamte zur Verfügung gestellte Zeit Arbeitszeit dar (Art. 15 Abs. 1 ArGV 1). Folglich ist Art. 19 Abs. 3 ArGV 1 in diesen Fällen nicht anwendbar. Da die gesamte Dauer des im Betrieb geleisteten Pikettdienstes als Arbeitszeit zählt, muss danach die volle tägliche Ruhezeit von elf Stunden (Art. 15a Abs. 1 ArG) gewährt werden. In diesem Fall gilt es zudem zu prüfen, ob es sich wirklich um einen Pikettdienst oder um normale Arbeit handelt. Für solche Entscheide sind die kantonalen Behörden zuständig (Art. 41 Abs. 3 ArG).
Erfolgt der Pikettdienst allerdings ausserhalb des Betriebes, so zählen nur die tatsächlich geleisteten Einsatzzeiten sowie die nötigen Wegzeiten als Arbeitszeit (Art. 15 Abs. 2 ArGV 1). In diesem Fall kommt Art. 19 Abs. 3 ArGV 1 wie oben beschrieben zur Anwendung.
Erfordert der Pikettdienst eine sehr schnelle Einsatzbereitschaft (z.B. weniger als 15 Minuten nach dem Anruf), so können die Arbeitnehmenden den Betrieb während des Pikettdienstes in der Regel nicht verlassen und entsprechend auch nicht frei über ihre Zeit verfügen. In solchen Situationen müssen die kantonalen Behörden entscheiden, ob es sich tatsächlich um Pikettdienst oder um normale Arbeitszeit handelt (Art. 41 Abs. 3 ArG).
Die allgemeinen Bestimmungen über die Arbeitszeit (Art. 10 ArG für Tages- und Abendarbeit, Art. 17a ArG für Nachtarbeit) sind auf den Pikettdienst nicht anwendbar. Der Pikettdienst stellt nämlich per Definition einen Zeitraum dar, während dem sich der Arbeitnehmende zusätzlich zur normalen Arbeitszeit für einen Einsatz bereit hält (Art. 14 Abs. 1 ArGV 1). Kämen Art. 10 und 17a ArG für den Pikettdienst im Betrieb sowie ausserhalb des Betriebes konsequent zur Anwendung, gäbe es in der Praxis gar keinen richtigen Pikettdienst. So gilt auch Art. 21 Abs. 3 ArGV 1, wonach an maximal sechs aufeinanderfolgenden Tagen gearbeitet werden darf, nicht für den Pikettdienst.
Andere Bestimmungen bleiben hingegen anwendbar, insbesondere diejenigen über die wöchentliche Höchstarbeitszeit (Art. 9 ArG) und die Überzeitarbeit (Art. 12 ArG). Nur Piketteinsätze können folglich zu einer Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit (Art. 9 ArG) führen, die dann als Überzeitarbeit (Art. 12 ArG) zu behandeln ist. Diese Überzeitarbeit muss gemäss den Bestimmungen von Art. 13 ArG und Art. 25 ArGV 1 kompensiert werden. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Überzeitarbeit, die im Rahmen von Piketteinsätzen in der Nacht oder am Sonntag geleistet wird, gemäss Art. 26 Abs. 1 Bst. b ArGV 1 zulässig ist.
In Bezug auf den Pikettdienst im Betrieb sei zudem auf Folgendes hingewiesen: Die Zeit im Betrieb gilt grundsätzlich als Arbeitszeit (Art. 15 Abs. 1 ArGV 1) und darf deshalb die wöchentliche Höchstarbeitszeit gemäss Art. 9 ArG nicht überschreiten. Bei der Festlegung eines Einsatzplans für den Pikettdienst im Betrieb ist deshalb die dadurch entstehende Arbeitszeit gemäss Art. 15 Abs. 1 ArGV 1 zu berücksichtigen. Nur im Falle eines Piketteinsatzes kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten werden, womit Überzeitarbeit zulässig ist.
Leistet ein Arbeitnehmender am Sonntag ausserhalb des Betriebes Pikettdienst und kommt nicht zum Einsatz, muss kein Ersatzruhetag gewährt werden. Dennoch zählt ein solcher Sonntag nicht als freier Sonntag. Ein Arbeitnehmender kann somit nicht das ganze Jahr jeden Sonntag auf Pikett sein, da grundsätzlich jeder zweite Sonntag frei sein muss (Art. 20 Abs. 1 ArG). Kommt es zu einem Piketteinsatz, so muss die entsprechende Zeit hingegen gemäss den Bestimmungen von Art. 20 ArG und Art. 21 ArGV 1 ausgeglichen werden.
Im Betrieb geleisteter Pikettdienst zählt als Arbeitszeit und muss deshalb auf jeden Fall gemäss Art. 20 ArG und Art. 21 ArGV 1 kompensiert werden. Ausgenommen bleiben Fälle nach ArGV 2.
Zusätzlicher Schutz für Arbeitnehmende mit Familienpflichten
Wird der Einsatzplan nicht auf Wunsch der Arbeitnehmenden, sondern aufgrund einer betrieblichen Notwendigkeit geändert, so geniessen Arbeitnehmende mit Familienpflichten (Art. 36 ArG) einen zusätzlichen Schutz. Sie können nur dann für einen Pikettdienst aufgeboten werden, wenn sie ausdrücklich damit einverstanden sind und für den Betrieb keine zumutbare Alternative besteht.
Sonderschutz von Frauen − Mutterschaft
Gemäss Art. 60 Abs. 1 ArGV 1 dürfen schwangere Frauen und stillende Mütter nicht über die vereinbarte ordentliche Dauer der täglichen Arbeit hinaus beschäftigt werden. Diese Kategorie von Arbeitnehmerinnen darf deshalb nicht für den Pikettdienst aufgeboten werden.
Publikationen
Letzte Änderung 11.05.2016